Flucht nach vorne, Flucht zurück |
Phantastische Literatur stellt Ereignisse dar, die in der gewohnten Alltagswelt nicht stattfinden, weil sie bestimmten im alltäglichen Handeln, Kommunizieren und Erleben reproduzierten Regeln dieser Welt widersprechen. Insofern erscheint die Phantastik auf den ersten Blick nur von marginalem soziologischen Interesse zu sein. Die alternativen Wirklichkeiten, die Science Fiction und Fantasy erschaffen, sind jedoch auch soziale Wirklichkeiten. Zum einen entstehen hier eigene "Sinnprovinzen" im Sinne Schütz', die auf die Lebenswelt der Fans zurückwirken, unter Umständen mit derselben fordernden Kraft wie religiöse Erzählungen (Mörth 1987) [1]. Besonders deutlich wird das, wo Medienerzeugnisse aus dem Bereich der Phantastik zum "Kult" (!) ausgerufen werden wie etwa die "Star Trek"-Serie. Die soziale Realität des "Raumschiff Enterprise" und seiner Nachfolger wird auf einer Vielzahl von Zusammenkünften – von Gruppentreffen im Freundeskreis bis hin zu riesigen Massenconventions – mit häufig großem Ernst reproduziert (Wenzel 1998). Zum anderen sind die Wirklichkeiten der Phantastik häufig soziale Wirklichkeiten in dem Sinne, daß sich aus dem Erzählten mehr oder weniger komplexe alternative Gesellschaftsentwürfe ablesen lassen. Phantastik kann dann einen Einfluß auf die Realgeschichte ausüben, indem sie der Wirklichkeit ein positiv-utopisches Leitbild gegenüberstellt oder aber eine abschreckende Dystopie schildert, die als Negativfolie gesellschaftlicher Entwicklung bis in die Alltagssemantik hineinwirkt wie Orwells "1984" oder Huxleys "Brave New World". Ebenso gibt es Versuche, phantastische Literatur für die wissenschaftliche Futurologie oder für soziologische und politikwissenschaftliche Prognosen nutzbar zu machen (Livingston 1971).
Dies ist freilich nicht bei allen phantastischen Erzählungen gleichermaßen möglich. Ein "Denken in Modellen" (Franke 1984) kennzeichnet nur einen Zweig der phantastischen Literatur, die Science Fiction (SF). Zwar überschreiten alle Gattungen der Phantastik – phantastische Literatur im engeren Sinne (Weird Fiction), Science Fiction und Fantasy [2] – die Grenzen der Alltagswirklichkeit, Zeitreisen und Raumfahrten mit Überlichtgeschwindigkeit sind für uns jedoch auf andere Weise realitätswidrig als Elfen, Geister und Vampire. Durch die Art, wie die Regeln der Alltagswelt aufgehoben werden, unterscheiden sich die Spielarten des Phantastischen. Am konventionellsten gehen hier die Gruselgeschichten der Weird Fiction vor, die sich mit dem punktuellen Einbruch des Unmöglichen in die ansonsten vertraute Alltagswelt beschäftigen. Soziologisch interessanter sind SF und Fantasy, da sie ganze Welten als abgeschlossene, in sich kohärente Regelzusammenhänge konstruieren können [3]. Während die Weird Fiction dadurch definiert ist, daß ihre Geschehnisse keine rationale Erklärung erlauben, da sie nach den Grundregeln und "Natur"gesetzen unseres Alltagswissens vollständig unmöglich sind und daher als unheimliche Bedrohung empfunden werden, lassen sich die Ereignisse der SF im Prinzip in den Kategorien unseres Alltagswissens erklären; nur die kontingenten technischen, gesellschaftlichen oder historischen Voraussetzungen des Geschehens entsprechen nicht den für uns "tatsächlichen". Ein Schwerpunkt vieler SF-Erzählungen liegt gerade in der detaillierten – häufig technischen – Erklärung der Ereignisse. Für die Fantasy ist die Frage der rationalen Erklärung irrelevant; es besteht kein Anlaß, ihre märchenhaften, in der Regel typisierten Szenarien zu hinterfragen. Möglicherweise können Fantasy-Sagen als protoreligiöse "Sinnprovinzen" ihre Anhänger gerade deshalb besonders stark binden [4].
Die auf neun Kinofilme angelegte "Star Wars"-Saga von George Lucas, von der bis heute vier Teile realisiert wurden, ist wohl die bekannteste – und auf jeden Fall die kommerziell erfolgreichste [5] – phantastische Erzählung, die es jemals gab. Auch "Star Wars" schafft in doppelter Hinsicht soziale Realität. Selten wurde der "Kult"-Charakter einer phantastischen Filmreihe deutlicher. Fast 387.000 (größtenteils private) in der Internet-Suchmaschine "Altavista" eingetragene Webseiten beschäftigen sich mit dem "Krieg der Sterne" oder erwähnen ihn zumindest [6]. In den Vereinigten Staaten campierten Fans vor dem Kinostart der "Episode I" teilweise wochenlang vor den Kassen, in Deutschland wurden eigene USA-Reisen zum Kinobesuch angeboten. Und auch in "Star Wars" wird eine vollständige Alternativwelt, bestehend aus einer ganzen Galaxis, erdacht. Bereits aufgrund der enormen Verbreitung liegt die Vermutung nahe, daß das hier vermittelte Weltbild spürbare realgeschichtliche Auswirkungen hat (Köhler 1985). Zwar wäre das amerikanische "Star Wars"-SDI-Programm wohl auch ohne George Lucas erfunden worden. Dennoch prägt heute die populäre Massenkulturrealgesellschaftliche Entwicklungen wahrscheinlich stärker als die sogenannte Hochkultur [7]. Der vorliegende Beitrag kann nicht versuchen, die Rezeptionsgeschichte von "Star Wars" auch nur ansatzweise nachzuzeichnen. Stattdessen soll – gewissermaßen als erster Schritt – untersucht werden, wie das Weltbild dieser Filme überhaupt beschaffen ist. Nur scheinbar handelt "Star Wars" von einer ökologisch-demokratischen Rebellion gegen eine übertechnisierte diktatorische Zivilisation; bei näherer Hinsicht wird der emanzipatorische Impetus durch genau die ambivalente Kombination aus Technikvertrauen und ständisch-religiöser Gesellschaftsphilosophie aufgefangen, die für das politische Denken des jüngeren Neokonservatismus typisch ist.
Die Handlung der Saga [8] läßt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen, die jedoch das Erlebnis der stark auf optische Effekte bauenden Filme notwendigerweise nur äußerst unzureichend vermitteln können [9].
Den Rahmen der Handlung in den ältesten drei Teilen der Saga, den Episoden IV bis VI "Neue Hoffnung" (1977), "Das Imperium schlägt zurück" (1980) und "Rückkehr der Jedi-Ritter" (1983), bildet der Kampf einer kleinen Gruppe von Widerstandskämpfern (der Rebellen-Allianz) gegen die Militärdiktatur des "Imperiums". Das Imperium ist der Nachfolger der "Alten Republik", von deren Untergang – beginnend mit der Invasion des Planeten Naboo in "Die dunkle Bedrohung" (1999) – die Episoden I-III berichten. In der Republik hatte neben dem Senat als Vertretung der zusammengeschlossenen Planeten der Orden der Jedi-Ritter und sein Hoher Rat eine dominante Funktion. Die Jedi leben im Einklang mit der "Macht", einer mystischen Kraft, die alle Wesen und Gegenstände auf der Welt umgibt und durchdringt und mit deren Hilfe auch Gegenstände und Personen manipuliert werden können. Die "Macht" birgt daher Gefahren; während der Jedi-Orden sie nur für gute Zwecke einsetzt und sie in ihrer Eigenart respektiert, gibt es immer wieder abtrünnige Jedis (die "Sith-Lords"), die keine Geduld im Umgang mit der "Macht" haben und sich von ihrer "dunklen Seite" verführen lassen. Die Alte Republik wurde durch den Putsch eines solchen abtrünnigen Jedi und ehemaligen Senators zerstört, der sich zum Kaiser ausrufen ließ und den Jedi-Orden zerschlug.
Die rechte Hand des Imperators ist der Sith-Lord Darth Vader, der in Kämpfen so schwer verwundet wurde, daß er auf eine biomechanische Ganzkörperrüstung mit Gesichtsmaske und integriertem Atemgerät, das alle seine Worte mit metallischem Keuchen untermalt, angewiesen ist. Zu Beginn von Episode IV verschleppt Vader eine der Anführerinnen der Allianz, Prinzessin Leia, auf den "Todesstern", eine Kampfstation von der Größe eines Mondes, die ganze Planeten vernichten kann. Rebellenspione konnten Pläne des Todessterns sichern, auf denen eine einzige verwundbare Stelle sichtbar ist. Es gelingt Leia, die Roboter C-3PO und R2D2 mit einer Hilfebotschaft und den Plänen auf den rückständigen Wüstenplaneten Tatooine abzusetzen. Der Farmerjunge Luke Skywalker führt die Roboter zum alten Obi-Wan Kenobi, an den die Botschaft adressiert ist. Es stellt sich heraus, daß Obi-Wan einer der wenigen überlebenden Jedi ist und sogar – anders als Luke selbst – dessen Vater gekannt hat, der ebenfalls ein Jedi war. Luke beginnt bei Obi-Wan eine Ausbildung zum Jedi-Ritter; gemeinsam mit dem angeheuerten Abenteurer Han Solo retten sie Leia. Obi-Wan stellt sich einem Zweikampf mit seinem abtrünnigen Schüler Darth Vader, der mit dem "Lichtschwert", der Waffe der Jedi, ausgetragen wird, und kommt dabei ums Leben.
Im Schlußteil von Episode IV führt Luke den Rebellenangriff auf die verwundbare Stelle des Todessterns, die nur mit kleinen Einmann-Jagdraumschiffen erreichbar ist. Das Rebellengeschwader ist bereits fast vernichtet, als Luke Obi-Wans Stimme hört, die ihm rät, sich auf seine Gefühle zu verlassen; Luke schaltet den Zielcomputer seines Jägers ab und läßt sich von der "Macht" leiten. Seine Protonentorpedos treffen ins Ziel; der Todesstern wird zerstört. Alleine Vader überlebt und leitet in Episode V einen Angriff auf die Hauptbasis der Rebellen. Vader geht mit unnachsichtiger Härte vor; jeden Fehler eines Offiziers rächt er, indem er ihn mit Hilfe der "Macht" berührungslos erwürgt. Die Rebellenbasis wird von riesigen vierfüßigen Kampfläufern zerstört, kann aber rechtzeitig evakuiert werden. Luke setzt nach der Flucht seine Ausbildung bei dem kleinen, eidechsenähnlichen uralten Jedi Yoda fort, wie Obi-Wan ihm in einer Vision geraten hat. Der Imperator und Vader spüren, daß Luke als Sohn des mächtigen Jedi Anakin Skywalker eine große Bedrohung darstellt, und locken ihn in eine Falle. Vader eröffnet Luke, daß er selbst Anakin Skywalker, sein Vater, ist. Des jungen Anakins Veranlagung zur "Macht" wurde in Episode I von dem Jedi Qui-Gon Jinn entdeckt. Anakin selbst hat keinen Vater; er scheint direkt von der "Macht" gezeugt worden zu sein. Während seiner Ausbildung durch Obi-Wan wandte Anakin sich jedoch vom Jedi-Orden ab und wurde zum Sith-Lord Darth Vader. Vader drängt Luke, sich ebenfalls zur "dunklen Seite der Macht" zu bekehren, mit ihm gemeinsam den Imperator zu stürzen und die Galaxis zu beherrschen. Luke bleibt standhaft und wird beim Zweikampf mit Vader fast getötet, kann aber fliehen.
Episode VI bringt eine weitere Eröffnung: Yoda verrät Luke vor seinem (ausnahmsweise natürlichen) Tod, daß Leia seine Zwillingsschwester, die Tochter von Anakin Skywalker und der Königin Amidala von Naboo, ist. Auch sie hat daher die Anlage zum Jedi; als Tochter Anakins ist sie gemeinsam mit Luke die einzige, die dem Imperator gefährlich werden kann. Auch in Episode VI gibt es eine Falle des Imperiums: Der Imperator spielt den Rebellen die Pläne eines neuen, noch größeren, aber noch im Bau befindlichen Todessterns zu, um die gesamte Rebellenflotte bei ihrem zu erwartenden Angriff auf einmal vernichten zu können. Den Rebellen gelingt es jedoch überraschenderweise, den Schildgenerator auf dem Waldmond Endor zu zerstören, der den Todesstern schützt. Sie werden dabei unterstützt von den Ewoks, kleinen teddybärartigen Waldbewohnern, die sich mit Pfeil und Bogen, Steinschleudern und Baumstämmen erfolgreich gegen die imperialen Truppen zur Wehr setzen. Luke, inzwischen ein fertig ausgebildeter Jedi, stellt sich auf dem Todesstern einem letzten Kampf mit Darth Vader. Als Vader wehrlos am Boden liegt, befiehlt der Imperator Luke, seinen Vater zu töten und so zur "dunklen Seite der Macht" überzulaufen. Wieder weigert sich Luke, worauf ihn der Imperator mit Lichtblitzen aus seinen Händen zu töten versucht. Doch Vader packt den Imperator mit letzter Kraft und schleudert ihn in einen Abgrund. Als der Imperator vernichtet ist, bittet der schwerverletzte Vader Luke, ihm seinen Helm abzunehmen, damit er seinen Sohn ein einziges Mal mit seinen eigenen Augen sehen kann, auch wenn dies seinen Tod bedeutet. Luke kommt der Bitte nach; sein wieder zum Guten bekehrter Vater stirbt in seinen Armen. Luke flieht mit Vaders Leichnam vom explodierenden Todesstern und setzt ihn auf Endor bei. Das Imperium ist endgültig geschlagen; die Rebellenallianz wird eine neue Republik aufbauen, und Luke und Leia werden den Jedi-Orden neu gründen.
Vordergründig handelt "Star Wars" vom Kampf gegen die Technik, genauer: von der demokratischen Rebellion gegen eine hochtechnisierte Diktatur, die optisch eindrucksvoll dargestellt wird. Die Militärdiktatur des Imperiums ist entscheidend auf dem repressiven Potential von Militärtechnologie aufgebaut. Sondendroiden kundschaften Planeten aus, imperiale "Sternzerstörer" (überdimensionale Raumkreuzer) machen selbst vor Asteroidenfeldern nicht Halt, und die riesigen imperialen Kampfläufer trampeln jeden Widerstand buchstäblich nieder. Der deutlichste Auswuchs imperialer Technikmegalomanie sind die beiden Todessterne: künstliche Monde aus Metall und Elektronik, die ganze Planeten vernichten können (was am Planeten Alderaan, der aus dem Weltall genau aussieht wie die Erde, nachdrücklich demonstriert wird).
Entsprechend dem bürokratisch-tayloristischen "Maschinen-Modell" (Morgan 1986) der Organisation geht die Betonung der Technologie Hand in Hand mit einer extrem hierarchischen Form von Verhaltenskontrolle des Militärpersonals – mit Angst als Kontrollmechanismus – und einer radikalen Entpersönlichung des technisch-organisatorischen Apparates. Jeder einzelne zählt nur als Teil der Militärmaschinerie, was symbolisch bereits durch die imperialen Uniformen angedeutet wird, die – vom einfachen Sturmtruppler über Fahrer und Piloten bis hin zur kaiserlichen Leibgarde – völlig anders als die Rebellenuniformen kaum je das Gesicht freilassen und die Soldaten zu roboterähnlichen Mensch-Maschine-Hybriden machen. Jeder einzelne ist ersetzbar: die buchstäblich gesichtslosen Massen der imperialen Soldaten kennen keine Individuen; Offiziere werden von Darth Vader reihenweise "zur Rechenschaft gezogen" und vom nächsten im Linienzug ersetzt. Die zeitlich später entstandene Episode I führt diese Symbolik konsequent fort: Hier besteht die feindliche Armee vollständig aus computeranimierten Roboter-Soldaten, die mit ihren Invasionsfahrzeugen brutal die Natur des friedlichen Planeten Naboo niederwalzen [10].
Einzelne Elemente der Kritik an der übertechnisierten und überorganisierten Gesellschaft in "Star Wars" erinnern deutlich an Lucas' bedrückenden Debütfilm "THX 1138". "THX 1138" spielt in einer bürokratisch regulierten, von Roboterpolizisten bewachten unterirdischen Maschinenwelt, die wie ein Vorläufer des Todessterns aussieht [11]. Selbst das Sexualleben wird hier kontrolliert, selbst die Religion ist durch eine Computer-Kirche technisiert. Noch eindrücklicher als in "Star Wars" werden die Menschen als unfreie, auf ihre Arbeitskraft reduzierte Ameisen dargestellt, die vom bürokratischen Apparat durch Drogen gefügig gehalten werden und die lediglich technische Kürzel als Namen tragen. Der Film handelt von der Flucht des Titelhelden THX 1138 aus dieser Maschinenwelt an die natürliche Oberfläche der Erde; die Schlußsequenz zeigt ihn vor der untergehenden Sonne, die er zum ersten Mal in seinem Leben sieht. In "Star Wars" findet sich diese Flucht aus der Technologie symbolisch bei Darth Vader wieder. Als rechte Hand des Imperators ist er mit einer biomechanischen Rüstung gepanzert; erst als er sich auf die gute Seite der "Macht" besinnt, wird der Mensch in der schwarzen Panzerung wieder sichtbar: Die Blitze des Imperators bringen wie Röntgenstrahlen sein Skelett unter der Rüstung zum Aufscheinen; schließlich entledigt er sich mit Lukes Hilfe seines undurchsichtigen Helmes.
Den Kontrast zur imperialen Technologie und Organisationsweise bildet die Rebellen-Allianz als multikultureller Zusammenschluß freier Widerstandskämpfer – archetypisch hier der Einzelgänger Han Solo (!) –, die der technischen Übermacht des Imperiums mit Intelligenz und Geschick begegnen. Die riesenhaften Todessterne werden mit Kleinstjägern angegriffen; Rebellengleiter kämpfen mit imperialen Läufern, die zwanzigmal größer sind als sie selbst; Han Solo bringt ganze "Sternzerstörer" mit seinem kleinen, schrottreifen Frachter zur Kollision. Einen so eindeutigen Gegensatz Technik/Natur und System/Individuum wie in "THX 1138" gibt es in "Star Wars" jedoch nicht. Für die Rebellenallianz scheint es keinen anderen Weg zu geben, als Technik mit Hilfe von Technik – Jägern, Fregatten, Laserkanonen – zu bekämpfen. Die Rebellenarmee ist weit weniger gesichtslos als das Imperium, im Kampf aber genauso straff organisiert. Selbst der Einzelgänger Han Solo wird schließlich in das hierarchische System eingegliedert, wenn er in Episode VI zum General ernannt wird, während sich der Rebell THX 1138 vollständig aus dem technisierten System zurückzieht.
Stärker als bei den Rebellen selbst wird der Kontrast Technik/Natur bei ihren Verbündeten dargestellt: Yoda lebt in einer mittelalterlichen Behausung auf dem Sumpfplaneten Dagobah und wirft Luke Skywalkers Kunstnahrung angewidert fort; die Ewoks kämpfen mit Steinschleudern gegen imperiale Läufer und spielen auf den Helmen besiegter Sturmtruppen Xylophon. Sowohl Yoda wie auch die Ewoks fügen sich jedoch in die Rebellion problemlos ein; beide – zwergenhaft und für Vermarktungszwecke betont niedlich gestaltet – haben eher den Status einer putzigen Dekoration des technisierten Rebellenkampfes. Den Roboter C-3PO verehren die Ewoks als Gott; ein Bild von vielsagender Symbolik. Auch Jar Jar Binks, der nervtötende Alien-Begleiter von Qui-Gon Jinn in Episode I, steht lediglich des komischen Effektes wegen mit technischen Apparaturen auf permanentem Kriegsfuß. Oft ist dagegen die Natur, der die Rebellen begegnen, feindselig wie das Wampa auf dem Eisplaneten Hoth oder die roboterverschlingende (!) Sumpfkreatur auf Dagobah. Und zwei der allerliebenswertesten Gestalten der "Star Wars"-Saga, die Roboter C-3PO und R2D2, bestehen vollständig aus Schaltkreisen und Servomotoren: vielleicht der deutlichste Gegensatz zu "THX 1138" mit seinen bedrohlichen Roboterpolizisten, in dem die technischen Namen wie THX, LUH und SEN noch Zeichen einer abzuwehrenden Enthumanisierung waren.
Das einzige wirkliche Korrektiv zur Übertechnisierung der Welt von "Star Wars" findet sich – auf beiden Seiten – im "Jeditum". Luke kann seine Protonentorpedos in Episode IV nur deshalb ins Ziel bringen, weil er den Computer ausschaltet und sich auf die "Macht" verläßt, und der junge Anakin gewinnt die Zukunftsvariante des Seifenkistenrennens in Episode I nicht zuletzt deshalb, weil er dem Rat des Jedi Qui-Gon folgt und seinen "Gefühlen vertraut". Noch des erwachsenen Vaders Jedi-Intuition wird in der imperialen Führung als altmodisch bespöttelt. Auch das Lichtschwert der Jedi ist gleichzeitig eine futuristische und doch altmodische Waffe, da sie nur im Zweikampf Mann gegen Mann taugt. Das Beherrschen der guten Seite der "Macht" bedeutet im wesentlichen ein Einfühlen in die Kräfte der – inneren und äußeren – Natur, nur zweitrangig in die Technik.
Die Jedi-Philosophie mit ihrer pantheistischen Kraft zwischen allen Dingen ist ein deutlicher Abkömmling der Esoterikwelle der 70er Jahre; viele Zitate ("Leuchtende Wesen sind wir, nicht rohe Materie") erinnern an eine aufgeweichte Version der Schamanen-Mystik Carlos Castanedas (1983). Auch das Jeditum eignet sich jedoch nicht als Ansatzpunkt emanzipatorischer Befreiung von den Fesseln einer diktatorischen technischen Zivilisation. Zum einen beruht das Jeditum auf einem rational nicht hinterfragbaren pseudoreligiösen Wertsystem, das sich sogar als Appell an "Fühlen", "Wollen" und "Glauben" (Köhler 1985, S.19) bewußt antirational zeigt. "Von allen Fragen befreie deinen Geist", rät Yoda Luke in Episode V. Wenn die Bindung an die Technik lediglich durch die Bindung an eine esoterische Philosophie ersetzt wird, kann von Emanzipation keine Rede sein. Vor allem aber ist Jedi zu sein Eliteangelegenheit eines kleinen Ordens von "Rittern". Mehr noch: um ein Jedi zu werden, genügt es nicht, sich einem harten Training zu unterwerfen; man muß die angeborene und – wie im Fall von Anakin, Luke und Leia – dynastisch vererbte Veranlagung in sich tragen [12]. Qui-Gon Jinns Intuition, beim jungen Anakin könnte es sich um den "Auserwählten" handeln, der quasi-göttlich und durch Jungferngeburt (!) von der Macht selbst abstammt, wird folgerichtig durch einen Bluttest zur Gewißheit.
Zur politischen Elite der "Republik" zählen neben den Jedi-Rittern die Oberhäupter der einzelnen Planeten und ihre Vertreter im Senat, die offenbar ebenfalls nach aristokratischen Prinzipien bestimmt werden [13]. Auch in der Rebellenallianz spielen die alten und neuen Aristokraten eine Rolle, wie an der Rebellenführerin Leia deutlich wird: als Adoptivtochter eines Senators gilt sie als Prinzessin; in Wahrheit ist sie sogar eine Gottkönigstochter. Die zerstörte "alte" und die angestrebte "neue Republik" entpuppen sich so als Gemeinwesen mit starken ständestaatlichen Zügen. Die Trägerschaft der Rebellion ist ohnehin für die elitistische und lediglich pseudo-emanzipatorische Aussage von "Star Wars" bezeichnend. Während in "THX 1138" ein untergeordneter Arbeiter – in gewisser Weise vergleichbar mit dem kleinen Angestellten Winston aus "1984" – die Einnahme von Sedativa verweigert und sich aus eigener Kraft von dem technisierten System befreit, wird die Rebellion in "Star Wars" von Personen geleitet, die selbst kaum in das imperiale System integriert waren: Neben Leia sind das Charaktere wie der Schmuggler Han Solo und der scheinbare Farmerjunge und wahre Königssohn Luke. Eine Auflehnung eines imperialen Ameisen-Soldaten gegen das System kommt in der gesamten Saga nicht vor; der einzige Überläufer zum Guten ist Darth Vader als zweitmächtigster Mann des Imperiums selbst.
Die im Grunde anti-emanzipatorische Ausrichtung von "Star Wars" läßt sich mit Hannah Arendts Machtbegriff verdeutlichen. Der übliche Machtbegriff faßt Macht als Nullsummenphänomen auf, entsprechend Max Webers klassischer Definition: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen" (Weber 1964, S.38). A hat hier Macht über B. Bei Arendt wird dagegen Macht als Positivsummenphänomen gesehen: Macht ist ein Handlungsvermögen, das aus einer Gruppe von Handelnden erwächst [14]. Die Macht von A muß die Macht von B nicht schmälern, im Gegenteil: Das Zusammenwirken von A und B macht das Vermögen beider erst aus. Gewalt indessen erzeugt Ohnmacht. Anders als Macht kann Gewalt, die ihrem Wesen nach instrumentell ist, nie Selbstzweck sein.
Arendts Gesellschaftsideal ist die Republik als Zusammenschluß freier Bürger, die in gemeinsamer Tätigkeit und Diskussion ihre Welt gestalten und ihr Schicksal bestimmen. Hier entfaltet sich Macht in Reinform, und hier hat das Politische als die Sphäre gemeinsamen öffentlichen Handelns seinen eigentlichen Ort. Gesellschaftliche diskursive und praktische Vernunft tritt damit in Gegensatz zu einer bloßen technischen Zweck-Mittel-Rationalität (Beyme 1992, S.263f). Feinde der Republik und des Politischen sind die Bürokratie, als "Niemandsherrschaft" tyrannischste i.S. von rechenschaftsloseste Staatsform (Arendt 1981, S.39), sowie die totale Herrschaft, die sich auf Gewalt, Ohnmacht, Angst und Terror stützt. Beiden ist gemeinsam, daß sie sich gegen die menschliche Spontaneität richten, gegen die Fähigkeit, handelnd neue Anfänge zu setzen (Leggewie 1994, S.7). Möglicherweise kann dann ein Neuanfang nur in einer Revolution liegen, die die menschliche Freiheit zu handeln wiederherstellt und die Republik neu errichtet (Arendt 1963, S.183).
Es ist leicht, das diktatorische "Imperium" in "Star Wars", das mit Hilfe von technischer Gewalt, Bürokratie und Furcht regiert und nicht davor zurückschreckt, ganze Planeten zu zerstören, als Hollywood-Version der totalitären Regime des 20. Jahrhunderts zu identifizieren, aus denen Arendt ihren Begriff der totalen Herrschaft gewonnen hat [15]. Auf den ersten Blick scheint es so, als ob sich dem die "Rebellion" mit ihrem Ziel der Wiedererrichtung der "Republik" ebenso idealtypisch entgegensetzen ließe. Gegen die zerstörerische Gewalt des Imperiums stünde dann die schöpferische "Macht" (im Original "force" – Kraft, Macht) auf der Seite des Guten, mit deren Hilfe Raumschiffe aus Sümpfen geborgen und Roboter zum Schweben gebracht werden können [16]. Hier zeigt sich jedoch der entscheidende Unterschied. Macht bei Arendt ist auf gemeinsames öffentliches Handeln aller bezogen und damit ein genuin politisches Phänomen. Die "Macht" der Jedi ist dagegen eine Eliteangelegenheit im Bereich des Metaphysisch-Religiösen, das bei Arendt als tendenzielle Gefährdung des Politischen gilt. "Politisch zu sein" bedeutet, "daß alle Angelegenheiten vermittels der Worte, die überzeugen können, geregelt werden" (Arendt 1960, S.30). In der Jedi-Metaphysik geht es jedoch explizit nicht um rationale Diskussion und Überzeugung, sondern um Gefühle und Glauben. Diese Metaphysik bildet dabei nicht nur eine Alternative zum Politischen, sondern dringt in die Sphäre des Politischen selbst ein. Galt die Hierarchie der Schamanen bei Castaneda (1983) noch ausschließlich im außerweltlich-metaphysischen Bereich, so sind die Jedi in "Star Wars" für die Entscheidung auch weltlicher Angelegenheiten bedeutsam. Die gemeinsame Regelung öffentlicher Angelegenheiten durch Deliberation der Bürger – hier: der Rebellen – tritt in Konkurrenz mit den gefühlsmäßigen paternalistischen Entscheidungen der Jedi, die die Geschicke der Galaxis eigentlich bestimmen. Konsequenterweise wird der "republikanische Senat" in Episode I als Schwatzbude dargestellt, die sich selbst entmachtet, wenn sie Senator Palpatine, den späteren Imperator, zum Obersten Kanzler wählt – Deliberation ist im "Krieg der Sterne" nicht nur nutzlos, sondern sogar gefährlich.
Phantastische Literatur ist als antipolitisch und eskapistisch verschrieen (Cersowsky 1987, S.33). Lars Gustafsson bezeichnet phantastische Erzählungen (im engeren Sinne) als "reaktionär", weil sie die Welt als "undurchsichtig, der Vernunft unzugänglich" darstellen (Gustafsson 1968, S.110, 115). Dies kann jedoch nicht für die SF gelten, die sich, wie eingangs dargelegt, gerade durch die rationale Erklärbarkeit des Geschehens definiert. Nur Weird Fiction ist "erkenntnisverhindernd" oder "anti-rational", SF dagegen "erkenntnisbezogen" und prinzipiell "rational" (vgl. Rottensteiner 1987, S.10). Gewiß gibt es auch im Bereich der SF eine Vielzahl von eskapistischen, anspruchslosen Produkten; SF-Werke wie "1984" können jedoch trotz oder wegen ihrer pessimistischen Grundhaltung kaum als reaktionär angesehen werden [17].
Mehr Sinn macht der Vorwurf des Eskapismus wie der Rückschrittlichkeit indes gegenüber der Märchenwelt der "erkenntnisvernachlässigenden", "rational indifferenten" Fantasy. Während sich SF zumeist an der Zukunft orientiert, schwelgt Fantasy nostalgisch in einer verklärten Vergangenheit. Wie Franz Rottensteiner (1987, S.16-18) es treffend charakterisiert, zeichnet Fantasy in der Regel das Bild einer harmonischen ständischen Gesellschaft "als enges soziales Geflecht mit genau definierten Rollen, überschaubar wie im Mittelalter. (...) Gut und Böse sind klar unterscheidbar (...), und das Endresultat steht, wie im Märchen, von vornherein fest (...). Die Fantasy-Welten sind von nicht-entfremdeten Gestalten bevölkert, (...) sie offerieren den Trost von anscheinend ewigen Wahrheiten und zeitlosen Werten, die durch ihre mythischen Eigenschaften geadelt sind". Genau dieses Bedürfnis nach einfachen moralischen Wahrheiten und einer organischen Gesellschaftsstruktur, in der jeder einzelne seinen festen Platz hat, stellt den Kern des klassischen Konservatismus dar, der auf das soziale und intellektuelle Chaos der Aufklärung mit dem Rückzug in die Sicherheit der Tradition reagierte [18].
Die "Krieg der Sterne"-Saga gilt im allgemeinen als Science Fiction; sie wird sogar für den Popularitätsdurchbruch dieses Genres im breiten Publikum verantwortlich gemacht (Aldiss 1986, S.271). Dennoch handelt es sich hier kaum um SF im strengen Sinn. Stanislaw Lem unterscheidet fiktionale Literatur in zwei Haupttypen: "Entweder ist die Welt, als der Wohnort des Menschen, an ihn intentional adressiert (d.h. sie befaßt sich mit ihm so, wie es nur ein Wesen mit Persönlichkeit tun kann) oder diese Welt ist dem Menschen gegenüber völlig neutral ((...) d.h. wenn sie auch ihre Bewohner tötet, so ohne jede Intention; wenn sie sie beglückt, so auch ohne Absicht (...))". Sowohl die herkömmliche ("Mainstream"-) Literatur wie auch die SF haben es mit einer in diesem Sinne neutralen Welt zu tun; alles Geschehen muß rational erklärbar sein. Ist die literarische Welt jedoch den Handelnden gegenüber "positiv adressiert", dann "handelt es sich um die klassische Märchenwelt, deren Physik sich mit der Moral deckt" (Lem 1979b, S.21f, vgl. Lem 1979a, S.41). Das Gute siegt zwangsläufig über das Böse. Wie im Märchen werden rationale Erklärungen irrelevant. Beim "Star Wars"-"Mythos" (Podak 1997), in dem die (gute) "Macht" gemeinsam mit der Hollywood-Logik des Happy End die Geschicke der Menschen beeinflußt, kann es sich also nur um Fantasy handeln – genauer: um ein Fantasy-Märchen [19]. So sagt auch Lucas selbst: "Mein Film ist mehr Brüder Grimm als Stanley Kubrick" (zit. nach Köhler 1985, S.15).
Äußerlich deutet bereits das Arsenal an Zauberern und Hexern, Königskindern, Prinzessinnen und Schwertkämpfern, das "Star Wars" bereithält, auf die Zugehörigkeit zur Fantasy hin. Zugleich haben wir es in "Star Wars" trotz der vordergründig demokratischen Aussage mit den klassischen Elementen der Fantasyliteratur zu tun, die der politischen Philosophie des klassischen Konservatismus nahe stehen: die klare Trennung zwischen "Gut" und "Böse", das Idealbild einer organischen, ständischen Gesellschaft, die Betonungmetaphysischer Wahrheiten und den antirationalen Appell an die Gefühle. Wie bereits die zeitgenössische Kritik deutlich erkennt, drückt eine solche einfache Geschichte die Sehnsucht nach einer moralisch übersichtlicheren Vergangenheit aus, trägt aber trotz der scheinbar demokratischen Moral für die Aufrechterhaltung demokratischer Werthaltungen in der Gegenwart nichts bei (Gans 1978) [20]. Selbst der totalitäre Gewaltherrscher wird zu einem bösen Hexen-Kaiser stilisiert, gegen den zu kämpfen nicht unbedingt demokratische Ideale erfordert; bereits eine simple Märchenlogik reicht dazu aus. Dennoch unterscheidet sich "Star Wars" entscheidend von der traditionellen vergangenheitsorientierten Fantasy nicht nur in der Wahl des interstellaren Schauplatzes ("vor langer Zeit in einer weit entfernten Galaxis") mit der entsprechenden, aus der SF entliehenen technischen Apparatur. Raumschiffe, Kampfmaschinen und Roboter sind nicht nur bloße Staffage wie in der "Space Fantasy", die alte Geschichten an neuen Schauplätzen erzählt, sondern bestimmen die Handlung und die Aussage der Erzählung entscheidend mit.
In den Texten und Präsentationen des "Progressive Rock" der 70er Jahre waren SF- und Fantasy-Elemente, denen folkmusikartige akustische bzw. elektrische/elektronische Instrumentierung entsprechen, antithetisch miteinander kombiniert. Edward Macan (1997) liest diese Kombination symbolisch als Gegensatz des Leitbildes einer harmonischen organischen Gesellschaft, das die "progressive" Subkultur der 70er auszeichnete, mit der als Alptraum empfundenen Realität einer immer weiter technisierten naturfeindlichen industriellen Zivilisation. Ein solches Wertesystem – "Technikmüdigkeit" und "Ablehnung von (...) den Zwängen der modernen Industriegesellschaft" – kennzeichnet auch einen guten Teil der traditionellen Fantasy-Anhängerschaft (Rottensteiner 1987, S.16f). "Star Wars", gleichfalls letztlich ein Produkt der 70er Jahre, übernimmt die öko-konservative [21] Symbolik der "Progressive"-Subkultur mit ihrem Fantasy/SF-Gemisch und die dahinterstehende Grundaussage, fügt jedoch eine entscheidende Verschiebung hinzu: Genau wie die Kritik an der Diktatur nicht zum Ideal einer republikanischen Demokratie führt, bleibt auch die Kritik an der technisierten Industriegesellschaft im letztendlichen Vertrauen auf die Technik stecken. "Star Wars" findet sich so in dem Dilemma wieder, das den Neokonservatismus des politischen Denkens nach dem Paradigmenwechsel der siebziger Jahre kennzeichnet: Sowohl die vergangenheitsorientierten Werte einer technikskeptischen Kultur wie die hochtechnisierte Gegenwart werden bejaht und sollen miteinander vereinbart werden [22]. Im Zweifelsfall scheint dennoch die Technik die Oberhand zu behalten. Wenn in der "Rückkehr der Jedi-Ritter" die Rebellenschiffe über die künstliche Oberfläche des Todessterns rasen und ihn mit einem gezielten Laserschuß in den Reaktor zur Explosion bringen, wird nicht gegen die technische Zivilisation an sich rebelliert, sondern die Technik kämpft gegen sich selbst. Die "Krieg der Sterne"-Reihe als Produkt einer technisierten Kultur hilft mit, genau diese Kultur in der realen Welt zu reproduzieren. Das quasioffiziell als "Star Wars" benannte amerikanische SDI-Programm und die Computerspielästhetik der modernen Kriegsführung können hierfür als Beispiele gelten. Ob bei der Weltraumschlacht um den Todesstern oder im grünlichen Nachtlicht von Bagdad oder Belgrad auf CNN: Nirgendwo ein Mensch zu sehen.
[1] Diesen Hinweis verdanke ich Edgar Wunder. Für sonstige Anregungen und Vorschläge bin ich Bodo von Greiff zu Dank verpflichtet.
[2] Die hier verwendete Terminologie lehnt sich an Rottensteiner (1987) an. Zum Verhältnis der Gattungen der phantastischen Literatur zur Alltagswirklichkeit vgl. außerdem Gustafsson (1968) und Suvin (1979).
[3] Die "Dune"-Reihe von Frank Herbert ist an soziologischem Detailreichtum in der phantastischen Literatur bis heute unübertroffen (Herbert, Frank, 1985 [1965]: Der Wüstenplanet, München: Heyne (14.A.); fünf Fortsetzungsbände). Die "Welten" der Science Fiction müssen allerdings nicht auf fremden Planeten angesiedelt sein wie in der "Space Fiction"; der Handlungsrahmen in einem Großteil der Science-Fiction-Literatur ist die nähere oder fernere Zukunft der Erde, bisweilen auch ihre Gegenwart oder sogar Vergangenheit unter kontrafaktischen historischen Voraussetzungen (Parallelwelterzählungen). In der Fantasy wird in der Regel keine genaue Orts-Zeit-Bestimmung vorgenommen; üblicherweise ist ein nicht näher definiertes mythisches Sagenreich Schauplatz von Fantasygeschichten.
[4] Dies nicht zuletzt über Rituale wie gemeinsame Fantasy-Rollenspiele.
[5] Neben dem Erfolg an den Kinokassen hat die "Star Wars"-Reihe Maßstäbe in der Vermarktung von Produkten "zum Film" – von Spielzeug, Büchern und Videospielen über T-Shirts und Uhren bis hin zu Pizza und Eiscreme – gesetzt (Prentler 1989). Im August 1999, noch vor dem Kinostart der Episode I in Deutschland, hatten die vier Teile von "Star Wars" weltweit über vier Milliarden DM eingespielt und 8,5 Milliarden DM an Lizenzprodukten umgesetzt (Frankfurter Rundschau 18.08.1999, S.8).
[6] http://www.altavista.com, Stand Oktober 1999: 386.894 Seiten. Eine Sammlung der schönsten "nutzlosen" Seiten findet sich auf http://www.go2net.com/internet/useless/useless/starwars.html. "Star Trek" kommt übrigens "nur" auf 333.233 Einträge.
[7] Spätestens im 20. Jahrhundert dürfte sich mit der sich durchsetzenden Demokratisierung wie Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Lebens die Trägerschicht der dominanten Kulturentwicklung entscheidend verändert haben. Ich werde diese These an anderer Stelle zu belegen versuchen. Zum Zusammenhang von Popkultur, Kulturgeschichte und Politik allgemein vgl. beispielsweise Marcus (1992).
[8] Nachzulesen in: Lucas, George, 1982: Krieg der Sterne, München: Goldmann (12.A.); Glut, Donald F., 1982: Das Imperium schlägt zurück, München: Goldmann (3.A.); Kahn, James, 1984: Die Rückkehr der Jedi-Ritter, München: Goldmann (4.A.); Brooks, Terry, 1999: Star Wars Episode I – The Phantom Menace, New York: Del Rey.
[9] Tatsächlich verläuft die eigentliche Geschichte über weite Strecken so schematisch, daß Dennis Livingston (1970, S.267) bereits sieben Jahre vor dem ersten "Krieg der Sterne" einen Großteil von dessen Handlung als gängigen SF-Archetyp auf den Punkt bringt: "It has often been noted that science fiction authors seem to have a predilection for creating stories set in totalitarian dictatorships. Typical to these tales ist the protagonist, the hero-dissenter, who (...) enters the tight little world of the authoritarian state. The hero contacts the local underground and in due course overthrows the government with a little help from his friends".
[10] Für die Roboter-Armee in Episode I ist freilich auch profanes Vermarktungskalkül verantwortlich: Ein Film, in dem Roboter statt Menschen niedergemetzelt werden, läßt sich mit einer niedrigeren Altersbeschränkung in die Kinos bringen.
[11] Daß der Regierungsplanet der Alten Republik in "Star Wars", Coruscant, vollständig zu einer einzigen Stadt versiegelt ist, läßt sich entsprechend als Zeichen des moralischen Verfalls deuten; nicht zufällig beginnt hier die "Bürokratie" die Macht zu übernehmen. Hier wird auch der Imperator seinen Regierungssitz beziehen.
[12] Die übermenschlichen Fähigkeiten der Herrscherfamilie der Skywalkers erinnern an die "wundertätigen Könige" des Mittelalters und der frühen Neuzeit mit ihrer Vermischung von sakral-überweltlicher und politischer Macht, die Marc Bloch (1998) beschreibt.
[13] Lediglich bei Amidala von Naboo handelt es sich um eine "gewählte Königin".
[14] Vgl. zum folgenden Arendt (1955, Teil III; 1960; 1981) sowie Breier (1992).
[15] Das imperiale Militär trägt nicht zufällig eine Mischung aus sowjetischen und nazideutschen Uniformen. Vgl. dazu auch die Ausstellung "The Magic of Myth" des Smithsonian-Museums über die historischen Bezüge der "Star Wars"-Ausstattung (http://www.starwars.com/smithsonian).
[16] Der Kampf zwischen Luke Skywalker und seinem Vater Darth Vader kann in diesem Rahmen – will man ihn nicht psychoanalytisch deuten – als Aktualisierung des gesellschaftlichen Grundkonfliktes der innovativen jungen mit der bewahrenden alten Generation (Fischer-Kerli 1999) und damit als Versuch eines Neuanfangs im Arendtschen Sinn gelesen werden. Freilich sind die Gesellschaftsideale Lukes eher restaurativ als progressiv, wie dieser Beitrag zu zeigen versucht.
[17] Allerdings ist auch die literarisch hochwertige gesellschaftskritische SF nicht vor reaktionären Tendenzen gefeit. So kritisiert Adorno an "Brave New World", Huxley hätte "gegen das Industriezeitalter weniger die Entmenschlichung als den Verfall der Sitten einzuwenden" (Adorno 1977, S.106). Insbesondere problematisch ist Huxleys Charakterisierung der beiden Hauptfiguren des Romans, die sich gegen die "schöne neue Welt" auflehnen. Mit der Einführung ausgerechnet eines "Wilden" als "Relikt des Menschlichen" (Adorno 1977, S.105) gerät Huxley in Gefahr, die Moderne als Ganzes an den Pranger zu stellen, während der im System großgewordene Alpha-Plus Bernard Marx leicht als "Judenkarikatur" erscheint, deren kritische Haltung lediglich einem Minderwertigkeitskomplex entspringt und mit antisemitischen Klischees wie "vulgärem Snobismus" und "moralischer Feigheit" einhergeht (Adorno 1977, S.109). Zwar gesteht Adorno Huxley einen scharfen Blick für die verdinglichenden warenfetischistischen Tendenzen des modernen Kapitalismus zu, er muß sich aber den Vorwurf machen lassen, dabei die Erfüllung materieller Bedürfnisse überhaupt und schließlich die Idee subjektiven Glückes selbst zu desavouieren (Adorno 1977, S.110-116).
[18] In Wahrheit war diese Tradition allerdings selbst eine nachträglich konstruierte. Vgl. dazu und zur Entwicklung konservativen Denkens allgemein Greiffenhagen (1974, S.157, 175), Ribhegge (1974, S.123).
[19] Alle Kernelemente eines Märchens – die einfache Geschichte, die Orts- und Zeitungebundenheit der Handlung sowie die optimistisch-moralische Grundaussage, auf die Lem abzielt – sind in "Star Wars" vorhanden (Köhler 1985, S.18). Auch daß ein Großteil der wichtigen Charaktere, die im ersten "Krieg der Sterne" vorgestellt werden, in den weiteren Folgen plötzlich auf wundersame und vollkommen unplausible Weise miteinander verwandt ist, kann in der "realen" Welt der SF nicht vorkommen.
[20] Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, in dem die erste Trilogie entstand, wurde "Star Wars" mit seiner plakativen Kontrastierung von (pseudo)demokratisch-gut und totalitär-böse als "flankierende Maßnahme für eine Kriegsvorbereitung in Permanenz" kritisiert (Köhler 1985, S.20).
[21] Vgl. dazu auch Kaltenbrunner (1972, S.49f).
[22] Vgl. zum Verhältnis neokonservativen Denkens zu Technik und Tradition etwa Saage (1983), Fetscher (1983), Ribhegge (1974, S.133) und Beyme (1992, S.101). Im übrigen darf nicht vergessen werden, daß die gesamte "Star Wars"-Saga selbst nur durch massiven Einsatz modernster (Film-)Technik möglich gewesen ist; George Lucas hat mehr als einmal betont, wie sehr die Grenzen der Technologie die Umsetzung seiner erzählerischen "Visionen" bestimmen (Denker 1997, S.32). Aus diesem Grund kamen auch die Episoden IV bis VI in jüngster Zeit in einer computertechnisch nachbearbeiteten Fassung erneut in die Kinos. Der bisherige Gipfel ist mit der 115 Millionen US$ teuren Episode I erreicht, in der nahezu alle Szenen digital nachbearbeitet oder ganz im Computer erzeugt wurden; Episoden II und III sollen vollständig in einem digitalen Verfahren produziert werden (TIME 31.05.1999, S.47-51).